1308 - Sander de Orle

Wir haben es dem Stadtschreiber Ludolf (Stadtschreiber von 1301 bis 1324) von „Modestorpe“ (Lüneburg) zu verdanken, dass wir heute wissen, dass es unser Dorf Oerrel (Orle) bereits zum Anfang des 14. Jahrhunderts gab. Aber nicht nur dem Lüneburger Stadtschreiber, sondern auch einem Mann namens „Sander“, der im Jahre 1308 Orle (Oerrel) verlassen und in Modestorpe (Lüneburg) neu angefangen hat. Denn dort wurde seit 1289 jeder Neubürger mit seinem Herkunftsort ins Bürgerbuch „Donatus burgensium antiquus“ eingetragen. In diesem Bürgerbuch findet man unter dem Jahr 1308 auch den in Latein geschriebenen Eintrag: „Sanderus de Orle“, was übersetzt „Sander aus Orle“ heißt. Die Einträge ins Stadtbuch wurden in Latein geschrieben. „Sanderus“ ist also der lateinische Name unseres Mannes aus Orle. Dort wurde er wahrscheinlich eher „Sander“ genannt,

Das Original des ältesten Lüneburger Bürgerbuchs „Donatus burgensium antiquus“ wird heute im Stadtarchiv in Lüneburg verwahrt. Mit freundlicher Genehmigung des Stadtarchivs können wir daher hier den uns betreffenden Eintrag präsentieren.

© Stadtarchiv Lüneburg - StadtALg-AB-1

© Stadtarchiv Lüneburg - StadtALg-AB-1

Das erste Bild zeigt den Bucheinband. Auf dem zweiten Bild sind die beiden inneren Spalten mit dem für uns interessanten Eintrag zu sehen. Auf der linken Seite steht zwischen den beiden Strichen „Anno domini 1308“. Genau gegenüber auf der rechten Seite findet man auf Höhe des unteren Strichs der linken Seite den Eintrag „Sanderus de Orle“. Das dritte Bild (unten) ist der betreffende Ausschnitt dieser Stelle im Buch. 

© Stadtarchiv Lüneburg - StadtALg-AB-1

Dieses Archivgut ist Eigentum des Stadtarchivs Lüneburg. Ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Stadtarchivs dürfen diese Abbildungen nicht gespeichert, reproduziert, archiviert, dupliziert, kopiert, verändert oder auf andere Weise genutzt werden

Im Jahr 1903 hat Wilhelm Reinecke *1) sein Buch „Lüneburgs ältestes Stadtbuch und Verfestungsregister“ herausgegeben, in dem er eine komplette Abschrift des „Donatus“ der Jahre 1289 bis 1399 veröffentlichte. Im „Kapitel 3“ der Einleitung seines Buches erläutert Reinecke die Bedeutung des Wortes „Donatus“. Ursprünglich verstand man da drunter ein Hilfsbuch zur lateinischen Grammatik, das ständig zur Hand genommen wurde. Später übertrug man den Namen „Donatus“ auf alle Bücher, die im städtischen Rechts- und Geschäftsleben oft zur Hand genommen wurden.

*1) Wilhelm Reinecke (Archivar) - Wikipedia

Das Buch von Wilhelm Reinecke kann online im „Internet Archive“ eingesehen werden. Dort ist es allerdings mit einer automatischen Übersetzung, die sich über den ursprünglichen Text legt, versehen, die die alten Texte aber leider nicht immer korrekt wiedergibt, wodurch das Auffinden der betreffenden Stelle erschwert wird.  

Hier noch eine Anmerkung zu der im Titel des Buches von Wilhelm Reinecke enthaltene Bezeichnung „Verfestungsregister“. Wie er im Buch ausführlich beschreibt, wurden darin die Personen aufgeführt, die sich in Lüneburg eines „leichten“ Vergehens (also nicht eines Mordes oder Totschlags) schuldig gemacht und dafür als Bestrafung - oder wenn sie sich ihrer Bestrafung durch Flucht entzogen - ihre Stadtrechte verloren hatten. Wer darin eingetragen war, durfte sich nicht mehr in der Stadt aufhalten. 

Über den nachfolgenden Link gelangt man auf die Seite des Buches auf der der Eintrag „Sanderus de Orle“ zu finden ist. Bei diesem Link ist die Suchfunktion bereits mit dem Wort „Orle“ hinterlegt, so dass die entsprechenden Fundstellen im Buch auf der linken Seite angezeigt werden. Durch Anklicken des Textes in der Suchfunktion wird die jeweilige Seite im Buch aufgeschlagen. Das Buch ist es allerdings mit einer automatischen Übersetzung hinterlegt, die den ursprünglichen Text nicht nur verdeckt, sondern leider oft einen unsinnigen Text "übersetzt", wodurch das Lesen und Auffinden der betreffenden Stelle erschwert wird. Der Text des Eintrages "Sanderus de Orle" wird glücklicherweise korrekt wiedergegeben. Falls der Text gar nicht lesbar sein sollte, kann er durch behaarliches Anklicken der leeren Zeilen doch noch sichtbar gemacht werden. Die Seiten des Buches können auch vergrößert betrachtet werden. Auf der Seite 133 findet man die Abschrift des Textes aus dem Original-Bürgerbuch. Auf den beiden anderen Seiten ist „Orle“ im Orts- bzw. im Personenregister des Buches aufgelistet. Bitte beachten, dass die digitalen Seitenzahlen nicht mit den Seitenzahlen des Buches übereinstimmen.

Lüneburgs ältestes Stadtbuch und Verfestigungsregister 1289-1399 - Reinecke, Wilhelm - Internet Archiv

Über Sander ist uns außer seinem Namen nichts weiter bekannt. Er hatte vermutlich nur diesen Vornamen und noch keinen Nachnamen. Zu dieser Zeit hatten die meisten Menschen nur einen Vornamen und noch keinen Familiennamen. Diese entstanden erst nach und nach zu Beginn des 14. Jahrhunderts, wohl auch um die vielen Menschen mit gleichen (Vor-) Namen besser zu unterscheiden.

Sander“ ist laut Wikipedia ein im 12. und 13. Jahrhundert entstandenes und damals häufig benutztes Kurzwort für Alexander. Als Vorname ist „Sander“ zwar ab dem 17. Jahrhundert wieder verschwunden, als Familienname ist er aber bis heute erhalten geblieben.

Quellen: Sander (Name) – Wikipedia

oder Suche A - Z - alle Deutsche Nachnamen (deutsche-nachnamen.de) - EdGro - Großgoerge, Edwin 

Laut Wikipedia kann sich der (Nach-)Name Sander aber auch von einer Wohnstätte, die auf sandigem Gelände errichtet wurde, herleiten. Diese Herleitung des Namens wäre auch für „unseren“ Sander aus Orle denkbar, denn in Orle gab es auch damals schon viel (Heide-) Sand. So oder so ist er nicht nur der erste sondern auch der erste uns namentlich bekannte Oerreler. Aber dies ist er auch nur deshalb, weil er das Dorf verlassen hatte, um künftig in der Stadt zu leben. 

Es könnte sein, dass der im Bürgerbuch vermerkte Zusatz „de Orle = von Orle“ als künftiger Nachname erhalten geblieben ist. Denn der Nachname „von (oder van) Orle“ ist im 14. und 15. Jahrhundert nicht nur in zwei Lüneburger Urkunden, sondern auch in elf Uelzener Urkunden und darüber hinaus auch in Hamburger Urkunden zu finden. Selbst außerhalb Norddeutschlands taucht der Nachname "von Orle" in Dokumenten aus dieser Zeit gelegentlich auf. Die elf Uelzener Urkunden, in denen der jeweils der Uelzener Bürger „Johann(es) von Orle“ genannt wird, stammen aus den Jahren zwischen 1361 und 1398 und werden heute im Niedersächsischen Landesarchiv in Hannover verwahrt.

Anders als diese elf Uelzener Urkunden, die online nicht eingesehen werden können, sind die beiden aus den Jahren 1449 und 1457 stammenden Lüneburger Urkunden, in denen der Lüneburger Bürger Meyneke van Orle genannt wird, über die Deutsche Digitale Bibliothek online zugänglich und können direkt über diese beiden Links aufgerufen werden:

1449 - Der Lüneburger Bürger (...) - als Bürge u. a. Meyneke van Orle

1457 - Die Bürger Heyne Dreiling und Meyneke van Orle (...)

Es ist zwar heute nicht mehr nachweisbar, aber auch nicht auszuschließen, dass diese Nachfahren von unserem Sanderus de Orle waren. Sollten sie es tatsächlich sein, wären aus Sanderus Nachfahren einflussreiche Bürger von Lüneburg und Uelzen geworden. 

 

 

Zu erwähnen ist noch, dass es auch ein längst ausgestorbenes Adelsgeschlecht „von Orle“ gegeben haben soll. Das berichtet jedenfalls Ernst Ludwig von Lenthe 1) im 6. Band seines Buches „Archiv für Geschichte und Verfassung des Fürstenthums Lüneburg“, *2) auf das wir an anderer Stelle noch einmal zurückkommen werden. In diesem Buch befindet sich unter anderem ein „Verzeichniß des Adels des Fürstenthums Lüneburg von Ludolph Otto von Estorff *3) in dem im letzten Absatz (auf Seite 335) unter der Ziffer 65. „Orle“ genannt hat. Dieser Absatz beginnt mit dem lateinischen Satz:

earum autem familiarum quae dudum extincte sunt, longe major numerus ex diplomatibus et contractibus latentibus Coenobiis erui possunt quales sunt

bzw. laut Berichtigung vom Autor Lenthe:

earum autem familiarum quae dudum extincte sunt, longe major numerus ex diplomatibus et contractuum litens in Coenobiis erui possunt quales sunt

was übersetzt entweder

„Und von den Familien, die noch nicht lange ausgestorben sind, kann eine weitaus größere Anzahl aus den in den Klöstern versteckten Diplomen und Verträgen gefunden werden, wie zum Beispiel:“

heisst oder in der berichtigten Version:

„Und von den Familien, die noch nicht lange ausgestorben sind, lässt sich eine weitaus größere Zahl aus den Diplomen und Verträgen der Klöster in ihrer jetzigen Form ermitteln“

*1)  Ernst Ludwig von Lenthe – Wikipedia  

*2) Verzeichniß des Adels (...) im Archiv für Geschichte und Verfassung des Fürstenthums Lüneburg - MDZ Digitale Sammlungen

*3) Estorff (Adelsgeschlecht) – Wikipedia                                 Otto von Estorff (Dompropst) – Wikipedia

Wie daraus hervorgeht, sind eine große Anzahl alter Adelsgeschlechter schon in früheren Jahrhunderten ausgestorben. Eventuell gehörten Meyneke van Orle und/oder Johannes von Orle auch zu diesem Adelsgeschlecht. Doch das lässt sich heute wohl nicht mehr klären, da es von den meisten in diesem Verzeichnis genannten Geschlechtern heute keinerlei Informationen mehr gibt. Das gilt auch für das Adelsgeschlecht der „von Orle“. 

Anders war es mit der Geschichte unseres Dorfes, die beginnt jetzt erst. Denn das Lüneburger Stadtbuch ist zwar ein historisches Dokument, aber keine Urkunde. Aber nur Urkunden sind der amtliche Beweis dafür, dass es eine Person oder eine Sache auch tatsächlich gibt. Der Eintrag ins Lüneburger Bürgerbuch im Jahre 1308 gilt daher noch nicht als urkundlicher Nachweis, dass es Oerrel schon gab.

Doch zur ersten urkundlichen Erwähnung kam es nur ein Jahr später.