Unser Dorf und die Kleine Oertze

1. Orla, die Kleine Oertze ?

Recherche und Text: Ralf Quietmeyer

Die Geschichte unseres Heimatdorfes Oerrel ist eng mit der Kleinen Oertze verbunden, allerdings dürfte sich der ursprüngliche Ortsname „Orle“ nicht, wie bisher angenommen wurde, vom Namen unseres kleinen Heidebaches ableiten. Nach meinen Recherchen wurde in einigen im 20. Jahrhundert erschienenen Fachbüchern behauptet, dass sich „Orle“ vom Bachnamen „Orla“ herleitet, obwohl es dafür keinerlei Nachweise gab und auch heute nicht gibt. Warum sollte man einen Bach, der eigentlich Orla heißt, ohne jeglichen Grund in Kleine Oertze umbenennen?

Um auf diese Frage eine Antwort zu finden, habe ich mich im Internet auf Spurensuche begeben. Zwar bin ich weder Historiker noch Etymologe, so dass meine Auswertung der von mir „entdeckten“ Fundstellen nur laienhaft sein können, dennoch bin ich der Ansicht, dass unser Bach niemals „Orla“ genannt wurde, sondern schon immer mit der Großen Oertze gesehen wurde. Meine Ergebnisse habe ich nachfolgend zusammengefasst. Dabei habe ich die von mir im Internet gefundenen Quellen angegeben und als Nachweis jeweils mit einem Link versehen.

Ausgangspunkt meiner Recherchen waren die historischen Urkunden, aus denen hervorgeht, dass unser Dorf ursprünglich „Orle“ genannt wurde, sowie das von Wilhelm Wolter *1) 1972 herausgegebene Buch „Munster – Geschichte und Geschichten“, in dem er über die Ortschaft Oerrel einleitend schreibt, dass sich der Name „Orle“ von „Orla“ oder „Urla“ herleiteten würde, was so viel wie „kleiner Fluss“ bedeutet.

Dies hat Wolter vermutlich aus dem im Jahre 1927 erschienenen „Lüneburger Heimatbuch – Band Volk und geistiges Leben“ von Theodor Benecke *2). In dem Buch findet man nur auf Seite 105 folgenden kurzen Eintrag zu Oerrel:

ON Örrel (Orle), an der kleinen Örtze und am Örrelbach. Vgl. fl. Orla, Arla, Urula, Urla. „kleiner Fluß“.

Lüneburger Heimatbuch: Bd. Volk und geistiges Leben - Google Books

Hinweis dazu: Das Kürzel „ON“ steht für „Ortsname“. Gemeint sind hier sowohl Oerrel an der Kleinen Oertze als auch Oerrel am Örrelbach bei Hankensbüttel. Das Buch ist zwar unter dem angegeben Link bei Google Books zu finden, allerdings ist es dort nicht komplett freigegeben. Glücklicherweise kann man sich über die Suchfunktion einige kurze Textpassagen anzeigen lassen, wozu zufällig auch der Eintrag auf Seite 105 über Oerrel gehört.

*1) Wilhelm Wolter war in den 1960er Jahren hauptberuflich Lehrer an der Freudenthal-Schule in Munster

*2) Theodor Benecke (Heimatforscher) – Wikipedia

Eine weitere Fundstelle ist im „Internet Archive“ in den „Göttingische Gelehrte Anzeigen“ aus dem Jahre 1915 zu finden, in dem in einem Artikel auf das „Altdeutsche Namenbuch“ von Ernst Förstemann *3)  eingegangen und die von Förstemann zum Fluss Orla in Thüringen gemachten Angaben dadurch ergänzt werden, dass der Bachname „Orila“ „Orla“ in der Lüneburger Heide zweimal als Ortsname Orle (Oerrel) vorkommt. Förstemann selbst hat dies in seinem Buch jedoch nicht erwähnt.

Göttingische Gelehrte Anzeigen 1915 

*3) Ernst Förstemann – Wikipedia

Doch lässt sich anhand dieser, in beiden Büchern eher nebenbei gemachten Angaben tatsächlich behaupten, dass unser Bach ursprünglich Orla genannt wurde? Es scheint eher so zu sein, dass die damaligen Autoren den Bachnamen Orla vom bekannten Ortsnamen Orle abgeleitet haben, da es für diesen Bach keinen anderen bekannten Namen gab. Entsprach das der Wirklichkeit? Um das herauszufinden, habe ich im Internet weiter nach Antworten gesucht, wobei ich mich auf die Spuren der Oertze gemacht habe.

Dabei habe ich weitere historische Bücher von Historikern oder Etymologen aus dem 19. und 20. Jahrhundert gefunden, die sich mit den Ursprüngen von Fluss- und Ortsnamen befasst haben. Während in heutigen Veröffentlichungen teilweise noch aus diesen Büchern zitiert wird, sind andere Informationen in Vergessenheit geraten. Und das gilt auch für die Oertze, über die ich folgendes herusgefunden habe. 

Bis ins 12. Jahrhundert hinein wurde im heutigen Niedersachsen altsächsisch gesprochen. Diese Sprache ging etwa ab Mitte des 12. Jahrhunderts ins Mittelhochdeutsche über, das in der Lüneburger Heide bis etwa Ende 1600 gesprochen wurde. Daraus entstand dann das Neuniederdeutsch, das mit dem heutigen Plattdeutsch „verwandt“ ist. Übrigens bedeutete das Wort „platt“ im 16. Jahrhundert so viel wie „gerade heraus“ oder „deutlich“. Unter Plattdeutsch verstand man also eine allgemein verständliche Sprache, im Gegensatz zu dem von Staat und Kirche verwendeten Latein. Das änderte sich im 17. Jahrhundert, als in „gehobenen“ Kreisen vermehrt hochdeutsch gesprochen wurde und „platt“ dadurch mehr und mehr zur Sprache der einfachen Leute wurde.

Quelle: Westfälische Wilhelms-Universität Münster – Centrum für Niederdeutsch

Centrum für Niederdeutsch - Was ist Niederdeutsch (uni-muenster.de)

 Von Oerrel wissen wir, dass unser Dorfe als Orle erstmals 1308 / 1309 urkundlich erwähnt wurde. Das bedeutet aber auch, dass es den Ort um diese Zeit bereits gab. Insofern ist anzunehmen, dass sich die ersten Menschen zu einer Zeit hier an der Kleinen Oertze niedergelassen haben, als hier noch altsächsisch gesprochen wurde. Wie haben die Menschen zu dieser Zeit die Oertze genannt? Wilhelm Wolter schreibt in seinem Buch, dass sie ursprünglich „horz“ genannt wurde, was auf den altsächsischen Ausdruck für Pferd zurückzuführen wäre, weil der Fluss wie ein Pferd „springend schnell fließt“. Diese Herleitung des Namens findet man heute auch bei Wikipedia, allerdings mit dem Hinweis, dass dies wahrscheinlich so nicht richtig ist.

Die Oertze - Wikipedia 

 

Einmal davon abgesehen, dass die Oertze eher behäbig als „schnell wie ein Pferd springend“ dahinfließt, ist der von Wolter genannte Name „horz“ für die Große Oertze eher unwahrscheinlich. Weder „horz“ für die Große noch „Orla“ für die Kleine Oertze dürften zutreffend gewesen sein. Vermutlich hatten beide Gewässer schon immer den gleichen Namen. Warum sollte man einen Bach namens Orla in Kleine Oertze umbenennen, wenn es schon eine (Große) Oertze gab, wodurch erst die Unterscheidung in „Große“ und „Kleine“ erforderlich wird. Da wäre es doch besser gewesen, den Namen „Orla“ für den kleinen Bach beizubehalten.

Meines Erachtens sah es für die Menschen damals so aus, als ob die Oertze mehrere Quellflüsse hat, die aus einem großen Moorgebiet herausfließen. Vielleicht war dies auch der Grund dafür, dass der Verlauf der Oertze in historischen Karten unterschiedlich eingezeichnet wurde. Mal verläuft der Fluss mehr nach Osten, was dem Lauf der Kleinen Oertze entspricht, und mal mehr nach Westen, dem Verlauf der Großen Oertze entsprechend.

Die ersten uns bekannten Landkarten helfen uns aber nicht weiter, da sie alle aus Jahrhunderten stammen, in denen die Oertze bereits diesen Namen hatte. Die Große Oertze findet man erstmals in Karten aus der Mitte des 18. Jahrhunderts (um 1740), die Kleine Oertze sogar erst in einer Karte aus dem Jahre 1786. Allerdings sind diese Karten noch sehr ungenau, in denen der Flusslauf unterschiedlich dargestellt wird. Dabei fällt auf, dass Munster nicht immer direkt am Flusslauf eingezeichnet wurde, sondern manchmal auch abseits davon liegt.

Aber zurück zum Namensursprung der Oertze. Wenn die altsächsische Bezeichnung „horz“ nicht zutrifft, wie wurde die Oertze dann früher genannt?

 

Von der Ursena über die Orsßen zur Oertze

Und tatsächlich gibt es eine Urkunde, aus der der ursprüngliche Name der Oertze hervorgeht. Dabei handelt es sich um die Stiftungsurkunde des Bistums Verden vom 29. Juni 786. Allerdings gilt als gesichert, dass es sich bei dieser Urkunde um eine frühe Fälschung handelt, da die Urkunde Angaben zu Personen enthält, die für das Jahr 786 noch nicht zutreffen können, so dass die Urkunde tatsächlich erst zwischen 1147 und 1150 entstanden sein kann. Außerdem ist das in der Urkunde erwähnte Bistum Verden erstmals erst durch eine Urkunde aus dem Jahr 849 belegt. Dennoch handelt es sich um ein historisches Dokument, dass für unsere Namensforschung herangezogen werden kann, da die darin erwähnten Namen der Städte und Dörfer sowie die der Flüsse und Bäche sicherlich nicht gefälscht wurden, sondern den tatsächlichen Verhältnissen zumindest des 12. Jahrhunderts entsprechen dürften. Eventuell ja auch schon denen des 8. Jahrhunderts.

Diese Urkunde wird heute in der Stader Abteilung des Niedersächsischen Landesarchivs verwahrt und kann online über die beiden nachfolgenden Links eingesehen werden. Wie alle Urkunden in früheren Jahrhunderten wurde auch diese in Latein geschrieben. Informationen zu dieser Urkunde gibt das Landesarchiv unter dem nachfolgenden Link zum arcinsys.niedersachsen.de, wo die Urkunde auch in Vergrößerung betrachtet werden kann.

NLA ST Rep. 2 Nr. 1 - Arcinsys Detailseite 

Außerdem kann sie dort auch üb er den DFG-Viewer genauer betrachtet werden.

DFG-Viewer: König Karl (der Große) gründet ein Bistum in Verden 

In dieser Urkunde wird unter anderem der Grenzverlauf des Bistums Verden beschrieben. Ein kurzes Stück dieser Grenze verlief in der Oertze bei Müden. Den Namen „Oertze“ finden wir in dieser Urkunde aber nicht, denn der Fluss wird hier „Ursena“ genannt. Dieser Name ist in der Urkunde sehr leicht zu finden, wenn man sich die Urkunde in der Vergrößerung betrachtet. Ausgehend von dem weißen Fleck unten rechts und den nach oben verlaufenden genähten Riss bis zur 2. Zeile von unten folgt. In dieser 2. Zeile steht links und rechts vom Riss „in descensu ursenam et in ascensu ursenae“. Der Riss verläuft hier durch das Wort „ascensu“.

 

© Niedersächsisches Landesarchiv Hannover NLA ST Rep. 2 Nr. 1

Mit freundlicher Genehmigung des Niedersächsischen Landesarchivs, Abt. Stade, zeigen wir hier ein Bild dieser Urkunde.

Dieses Archivgut ist Eigentum des Niedersächsischen Landesarchivs in Hannover. Ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Niedersächsischen Landesarchivs dürfen diese Abbildungen nicht gespeichert, reproduziert, archiviert, dupliziert, kopiert, verändert oder auf andere Weise genutzt werden.

 

 

Im 19. Jahrhundert haben sich Historiker mit dieser Urkunde näher befasst. Darin haben sie sowohl über die frühe Fälschung als auch über den in der Urkunde beschriebenen genauen Grenzverlauf des Bistums Verdens in der Oertze bei Müden diskutiert. Und so taucht der Name der Oertze mit ihrem ursprünglichen Namen in mehreren Büchern der damaligen Zeit auf, wodurch diese Bücher zu hervorragenden Fundstellen für unsere Namensforschung werden. Die in den Büchern immer wieder zitierte Textpassage aus der Urkunde lautet:

(…) Inde in ortum Geltback et ipsum rivum in descencu in Ursenam, et in ascensu Ursenae in Wizenam, hinc in ortum ejusdem fluminis. (…)

Wörtlich übersetzt heißt das:

(…) Aufsteigend in Geltbach und der Fluss selbst im Abstieg in die Ursena, und am Aufstieg der Ursena in Wizenam, von hier aus demselben Fluss aufsteigend (…)

Heute würden wir schreiben:  (Aufsteigend = von Süden kommend verläuft die Grenze) bis zum Geltbach und folgt diesem Fluss (Bach) bis zur Mündung (absteigend) in die Oertze, in der sie nordwärts bis zur Einmündung der Wietze verläuft, in der sie dann bis zur Quelle (aufsteigend) weiter geht.

Damals konnten die Historiker den „Geltbach“ keinem bekannten linksseitigem Nebenfluss zur Oertze zuordnen. Um welchen Bach es sich dabei handelt ist bis heute unklar. Da dieser Bach aber südlich von Müden zu suchen ist, kann damit nicht die Kleine Oertze gemeint sein. Der in der Urkunde beschriebene Grenzverlauf kann zweifelsfrei bis zur Einmündung der Wietze in die Oertze bei Müden zugeordnet werden. Demnach verlief die Grenze laut dieser Urkunde in der Oertze, die man im 12. Jahrhundert und wohl auch schon davor auf lateinisch „Ursenae“ nannte, was mit „Ursena“ übersetzt wird, wobei die Schreibweise zwischen „Ursena, Ursine und Ursinna“ wechselt.

 

Altdeutsches Namenbuch

In dem im Jahr 1872 erschienenen Altdeutschen Namenbuch von Prof. Dr. Ernst Förstemann *3) ist die „Ursenamit dem Hinweis auf die Oertze, einem Nebenfluss der Aller, aufgeführt (Band 2 Ortsnamen, Seite 1517/1518). Auf der Seite 101/102 wird in diesem Buch auch „Orla“ erwähnt. Allerdings nicht als Kleine Oertze und auch nicht als Nebenfluss der Oertze, sondern nur als Ableitung von „Arla“, was in dem Buch wiederum von dem Ursprungswort „Ara“ für „Fluss“ bzw. „Wasser“ hergeleitet wird. Einen erkennbaren Hinweis auf unseren Heidebach gibt es in diesem Buch weder als „Orla“ noch als „Kleine Oertze“.

Unter dem nachfolgenden Link kann das Buch eingesehen werden. Die entsprechenden Seiten werden über die Suchfunktion angezeigt, wenn die Suchwörter „Ursena“ oder „Orla“ eingegeben werden.

Altdeutsches Namenbuch 2. neu bearb. Auflage 1872 - Google Books

Altdeutsches Namenbuch 1. Auflage 1859 - Google Books 

 *3) Ernst Förstemann – Wikipedia

Verdener Geschichtsquellen

Unter dem Namen „Ursena“ findet man die Oertze auch in dem Buch Verdener Geschichtsquellen aus dem Jahr 1852 bzw. 1856, das bei der Bayerischen Staatsbibliothek online eingesehen werden kann. Dieses Buch beinhaltet unter anderem das „Registrum Ecclesiae Verdensis“ von Andreae de Mandelslo (Domdekan zu Verden, †31. August 1585), dessen Original im Niedersächsischen Landesarchiv in Hannover verwahrt wird. Darin geht es um die Beschreibung der Abgrenzung eines Waldgebietes zwischen der damals so bezeichneten „Magetheide“ und der „Ursine“, also der Oertze. In der Online-Version des Buches ist die entscheidende Stelle auf Seite 18 zu finden. Angezeigt wird die Seite 4 des „Registrums“. Dort steht unter XXXIII in den Zeilen 11 und 12 folgender in Latein verfasster Text, in dem „Ursinam“ und „Ursina“ mit „V“ also „Vrsinam / Vrsina“ geschrieben wurden:

Item forestum quod se extendit a magethaida vsque vrsinam et ab vrsina vsque holdenstede, vrsina .,. de orsßen. 

Verdener Geschichtsquellen 1856 - Bayerische Staatsbibliothek 

Übersetzt: Auch der Wald, der von der Mathheide bis zur Ursine und von der Ursine bis Holdenstede (= Holdenstedt) reicht. Ursine .,. de orsßen 

Das letztes Wort ist nicht lateinisch, sondern der wahrscheinlich erstmals schriftlich erwähnte Name der Oertze. Demnach war der Fluss im 16. Jahrhundert bereits als „Orsßen“ bekannt, so dass der Name zwischen dem 12. und dem 16. Jahrhundert gebräuchlich wurde. Aus „Orsßen“ wurde später dann die „Oertze“. Erst unter diesem Namen wurde der Fluss im Jahr 1740 erstmals in einer Landkarte eingezeichnet. 

Im Band 2 der „Verdener Geschichtsquellen“ von Wilhelm von Hodenberg*4) aus dem Jahr 1857 ist im Verzeichnis der „Kirchen und Gefälle, nebst dem Grenzverlauf der Verdener Diözese“ auf der Seite 389 (in der Onlineversion bei Google Books, Seite 369 ) auch die „Orsßen“ mit dem Hinweis auf die Oertze zu finden. Ein paar Seiten weiter - auf Seite 383 (Online ebenfalls Seite 383) folgt im Buch der Hinweis: „Ursena / Hursena“ sowie „Ursinna / Orsßen“. Schon auf Seite 210 unten steht unter dem Buchstaben „E“ = „(…) Ursinna, der Örze (…)“ und auf Seite 211 mehrfach  „Örze“. Auf Seite 32 (5. Zeile von unten) „Ursinna“ im lateinischen Text der Beschreibung der Abgrenzung des Jagdbannes in der Magetheide.

Alle Seiten können über die Suchfunktion unter Eingabe des Suchwortes eingesehen werden.

Verdener Geschichtsquellen Bd. 2 1857 - Google Books 

Noch besser kann in diesem Buch in der Bayerischen Staatsbibliothek und im “MDZ = Münchener DigitalisierungsZentrum – Digitale Bibliothek“ unter den folgenden Links geblättert werden.

Verdener Geschichtsquellen Bd. 2 1857 - Bayerische Staatsbibliothek 

Verdener Geschichtsquellen Bd. 2 1857 - MDZ Digitale Bibliothek 

*4) Wilhelm von Hodenberg 

Beiträge zur Etymologie deutscher Flußnamen

In dem 1883 erschienenen Buch „ Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Litteraturen“ geht der Autor Ludwig Herrig *5) unter „Neue Beiträge zur Etymologie deutscher Flußnamen“ auf Seite 381 auf die Ableitung des Namens „Ursena“ und auf Seite 403 auf „Ursena = Oertze“ ein. Auf Seite 381 schreibt er ferner, dass „Ursone“ auch im Flussnamen „Luzilursone“ enthalten ist und „kleine Ursena“ und damit „kleiner Fluss“ bedeuten würde. Die „Luzilursone“ ist aber nicht die Kleine Oertze, sondern der heutige „Spüligbach“, ein Nebenfluss der „Lenne“ im Landkreis Holzminden. Auch in diesem Buch gibt es keine Hinweise auf die Kleine Oertze. 

Unter dem nachfolgenden Link ist dieses Buch bei Google-Books zu finden. Der Link ist auf die Suchfunktion „Ursena“ eingestellt, wobei auf der Seite unten drei Fundergebnisse angezeigt werden, die man sich durch „weiter“-klicken anzeigen lassen kann.

Archiv für das Studium neuerer Sprachen und Literaturen - Google Books 

*5)  Ludwig Herrig - Wikipedia

Über die Oertze / Ursena schreibt auch Theodor Lohmeyer *6) in seinem 1881 herausgegebenen Buch „Beiträge zur Etymologie deutscher Flussnamen“, das online sowohl bei Google Books als auch im MDZ aufgerufen werden kann. 

Beiträge zur Etymologie deutscher Flussnamen - Google Books 

Lohmeyer, Theodor: Beiträge zur Etymologie deutscher Flussnamen - MDZ Digitale Bibliothek 

*6) Kein Beitrag zu Theodor Lohmeyer gefunden

Lohmeyer schreibt auf Seite 95 (online Seite 105), dass im Namen „Ursena“ das germanische Wort „ars“ für „strömen“ als Grundwort steckt, an dem das Suffix „-en“ angefügt wurde.

Hinweise auf einen Bach namens „Orla“ sind auch in diesem Buch nicht zu finden. Allerdings wird erwähnt, dass „Ursone“ „kleine Ursena“ bedeutet. Vielleicht wurde die Kleine Oertze ursprünglich „Ursone“ genannt. 

Anzumerken ist, dass es einen Fluss mit Namen „Orla“ gibt, wobei es sich allerdings um einen Nebenfluss der Saale in Thüringen handelt. Laut Wikipedia gibt es zur Herkunft dieses Flussnamens zwei Erklärungen. So könnte hier „Orla“ slawischen Ursprungs sein und von „orel“ oder „orol“ (für Adler) oder keltischen Ursprungs von „are“ (für Bär) sein. Im letzteren Fall würde der Name dieses Fluss demnach „Bärenwasser oder -fluss“ bedeuten.

Quelle: Orla - Wikipedia

Und auch in Polen gibt es in der Provinz Niederschlesien einen Fluss mit dem Namen „Orla“, der in alten Karten – als Niederschlesien noch zum Deutschen Reich gehörte - mit seinem deutschen Namen „Horle, Hurla oder Horla“ (unterschiedliche Schreibweise in den Karten) eingezeichnet ist. Der heutige polnische Name „Orla“ wird vom polnischen Wort für Adler „orol“ hergeleitet. Die Herleitung der deutschen Namen dürfte aber eine andere sein.

Quelle: Orla (Barycz) – Wikipedia

Auch wenn bei der Orla in Thüringen auf den ersten Blick der slawische Ursprung „orel“ für Adler ins Auge springt, dürfte ein slawischer Ursprung für uns in Norddeutschland wohl nicht zutreffen. Und auch der keltische Ursprung – „are“ für Bär ist unwahrscheinlich, da das Gebiet der Lüneburger Heide nicht im Verbreitungsgebiet der Kelten lag. Deren Sprache gehörte zur indogermanischen Sprachfamilie, in der das Wort für „Bär“ „*rktos“ (ausgesprochen ähnlich wie Arktos) lautete.

Der lateinische Name für Bär lautet „ursus“. Der wissenschaftliche Name für den Braunbären lautet „ursus arctos“. Braunbären gehören wissenschaftlich zu den „Ursinae“ – einer Unterfamilie bei den Bären. Hier fällt einem die Ähnlichkeit mit dem historischen lateinischen Namen „Ursenae“ für die Oertze auf. Daher wäre denkbar, dass auch die Oertze „Bärenfluss“ genannt wurde. Bei dieser Herleitung des Namens kommen einem gleich die beiden Sternbilder „Großer Bär“ und „Kleiner Bär“ in den Sinn. Könnten die Menschen das damals vielleicht auf die Große und die Kleine Oertze übertragen haben? Dagegen spricht allerdings, dass „Ursenae“ der lateinische Name der Oertze war. Das heißt übersetzt zwar Bären, allerdings kann dies nicht auf die Sternbilder übertragen werden, da die hier in indogermanischer Zeit lebenden Menschen in diesen beiden Sternenbildern keine Bären sondern – wie heute auch noch – einen großen und einen kleinen Wagen gesehen haben. Für die Germanen waren dies der „Wodans- oder auch Karlswagen“ und der kleinere „Frauenwagen“.

Quelle: Reuter: Der Himmel über den Germanen < Reuter: Himmel/Skylore (cantab.net)

Dafür kommt aber ein anderes - mittlerweile ausgestorbenes – Tier als Namensursprung für die „Ursena“ in Frage, nämlich der Auerochse, der altnordisch „ûrr“ oder „urus“ und auf alt- bzw. mittelhochdeutsch „ûr“ genannt wurde. So ist dieses Wort auch im „Altdeutschen Wörterbuch“ von Oscar Schade *7) zu finden, das online bei der Bayerischen Staatsbibliothek und im MDZ eingesehen werden kann.

            Altdeutsches Wörterbuch, Oskar Schade - Bayerische Staatsbibliothek

           Altdeutsches Wörterbuch, Oskar Schade - MDZ, Digitale Bibliothek 

*7) Oskar Schade - Wikipedia

Mellinger Atlas 1590

Letztendlich lässt es sich heute nicht mehr feststellen, warum die Kleine Oertze in den verschiedenen Fachbüchern von damals unerwähnt blieb. Ein Grund war sicherlich, dass durch ihr Bachbett niemals ein Grenze verlief. In der Grenzbeschreibung des Bistums Verden von 786 bzw. aus dem 12. Jahrunderts wurde sie als Nebenfluss der Oertze wohl nicht erwähnt, weil der Grenzverlauf des Bistums Verden nur wenig weiter südlich nach Westen abbog. Während durch den heutigen Landwehrbach und dessen Quellfluss „Schmarbeck“ mal die Grenze Amtes Ebstorf verlief. Vielleicht deshalb findet man die „Schmarbeck“ in dem Buch von Förstemann.

Selbst im Ämteratlas von Johannes Mellinger aus dem Jahre 1590 ist die Kleine Oertze nicht eingezeichnet, obwohl dieser Atlas aus einzelnen Landkarten unserer Region besteht. In der unser Gebiet betreffenden Karte ist der Bach „Schmarbeck“ eingezeichnet, nicht aber die Kleine Oertze. Daher liegen Trawen (Trauen) und Orle (Oerrel) in dieser Karte „auf dem Trockenen“. Zu Johannes Mellinger an anderer Stelle mehr. Hier zunächst die beiden uns betreffenden Karten Nr. 24 und 25 aus dem Mellinger-Ämteratlas:

© Niedersächsisches Landesarchiv NLA HA Kartenmappen Mappe Nr. 36 Aufn 028

© Niedersächsisches Landesarchiv NLA HA Kartenmappen Mappe Nr. 36 Aufn 027

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Die Ursena / die Oertze - Fundstellen in historischen Büchern

Beim erneuten Blick in Buchs Munster - Geschichte und Geschichten von Wilhelm Wolter habe ich eine Fußnote zur Herleitung des Namens der Oertze entdeckt, deren Erläuterung erst auf den letzten Seiten des Buches zu finden ist. Dort heißt es: „Nach Prof. Brückmann soll der Name (der Oertze) von „arsi“, „ursi“ = stark männlich herzuleiten sein, wodurch die Oertze (Ursinne, Ursena, Orsne) die Deutung starkströmende entstünde“. Eine genauere Quellenangabe fehlt allerdings in dem Buch, vielleicht auch, weil Wilhelm Wolter diesem Hinweis keine weitere Beachtung geschenkt hat, sondern bei der Herleitung von „horz“ blieb. Wäre er diesem Hinweis weiter nachgegangen, wäre er vielleicht auf den ursprünglichen Namen „Ursena“ gestoßen. Denn es gibt weitere Quellen, in denen die „Ursena“ als die heutige Oertze erwähnt wird. Nachfolgend werden die von mir im Internet gefundenen Quellen (historische Bücher aus dem 19. Jahrhundert), die diesen ursprünglichen Namen belegen, vorgestellt.

Bei der Bayerischen Staatsbibliothek ist online das „Hamburgische Urkundenbuch Nr. 1“ von Johann Martin Lappenberg *8) (Hamburg : Voss, 1842. - XXXVIII, 882 Seiten) zu finden. Der nachfolgende Link ist auf die Online-Seite 45 eingestellt, da auf dieser Seite die Textpassage mit „Ursenam“ und „Ursena“ im Text der Gründungsurkunde des Bistums Verden zu sehen ist. In den Fußnoten dieser Seite findet man den Hinweis auf die „Oerze“. Unter dem 2. Link kann das gleiche Buch auch in Vergrößerung betrachtet werden. In dieser Urkunde findet man auch das lateinische Wort „Travena (im Buch steht Trauena)“ mit dem Hinweis auf die Trave.

Hamburgisches Urkundenbuch 1842 - Bayerische Staatsbibliothek 

Hamburgisches Urkundenbuch 1842 - MDZ-Digitale Sammlungen 

*8) Johann Martin Lappenberg

Ebenfalls online sind in der Bayerischen Staatsbibliothek zwei Bücher „Verdener Geschichtsquellen, Band 1 und Band 2“ einsehbar. Über die nachfolgenden Links gelangt man jeweils auf die bereits voreingestellten Online-Seiten, auf denen mittels Suchfunktion die Wörter „Ursenam“ und „Ursene“ in den verschiedenen Urkunden-Texten enthalten sind. Im Band 1 findet man u. a. das Dokument: „Dies sind die Namen der Sümpfe und Gewässer, die die Verdener Diozöse begrenzen“. Dort im Absatz zwischen Zeile 21 und 26 zu finden: Hursenam und Hursene. Unter dem 2. Link kann das gleiche Buch auch in Vergrößerung betrachtet werden.

Verdener Geschichtsquellen 1856 - Bayerische Staatsbibliothek

Hodenberg, Wilhelm von: Verdener Geschichtsquellen Bd. 1 - MDZ-Digitale Sammlungen

Im Band 2 findet man auf Seite 22 (Seite 14 im Original) und auf den Seiten davor den lateinischen Text der Verdener Stiftungsurkunde vom „29. Juni 786“. Auf Seite 22 in der 7. und 6. Zeile von unten: „ursenam“ und „ursene“. Noch einmal im Kommentar zu dieser Urkunde auf Seite 264 (256 im Original) und in einem anderen Text auf Seite 271 (263) gleich in den ersten beiden Sätzen zum § 7. Hier dann auch der übersetzte Text mit „Oerze“. Unter dem 2. Link kann das gleiche Buch auch in Vergrößerung betrachtet werden.

Verdener Geschichtsquellen Bd. 2 1857 - Bayerische Staatsbibliothek 

Hodenberg, Wilhelm von: Verdener Geschichtsquellen Bd. 2 - MDZ-Digitale Sammlungen

Und auch im 2. Band des Buches „Die deutschen Bischöfe bis zum Ende des sechszehnten Jahrhunderts“ von Friedrich Wilhelm Ebeling *9) aus dem Jahre 1858 befasst sich der Autor ab der Buchseite 502 (online 520) mit dem Bistum Verden. Darin gibt auch er den Text der (gefälschten) Urkunde vom „29. Juni 786“ wieder und erläutert eine Seite weiter alle darin erwähnten Grenzpunkte sowie Flüsse und Bäche, darunter auch die „Ursenae“ bzw. „Ursenam“.

Die deutschen Bischöfe bis zum Ende des 16. Jahrhunderts - Bayerische Staatsbibliothek 

Die deutschen Bischöfe bis zum Ende des 16. Jahrhunderts - Google Books 

Friedr. Wilhelm Ebeling: Die deutschen Bischöfe bis zum Ende des 16. Jahrhunderts - Google Books 

*9) Kein Eintrag bei Wikipedia

Dann ist da noch Anton Christian Wedekind, der ein in Lüneburg tätiger Geschichtsforscher war und sich mit der Quellenkritik anderer Historiker beschäftigte. Er äußerte sich ebenfalls zu dem umstrittenen Grenzverlauf des Bistums Verden im Gebiet der Oertze. Informationen über Anton Christian Wedekind findet man bei Wikipedia unter nachfolgendem Link:

Anton Christian Wedekind - Wikipedia 

In seinem 1821 in Hamburg erschienene Buch „Noten zu einigen Geschichtsschreibern des Deutschen Mittelalters“ weist er auf Seite 75 zum Grenzverlauf in der Oertze darauf hin, dass „in diesem Bereich der Grenze lediglich der Fluss „Ursenam“ als „Oerze“ bekannt ist“. Online ist das Buch in der Bayerischen Staatsbibliothek und bei Google Books einsehbar. Über den ersten Link werden alle Fundstellen im Buch angezeigt, über den zweiten und dritten wird direkt die Seite 75 mit der Beschreibung des Grenzverlaufs aufgerufen.  

Wedekind, Anton Christian: Noten zu einigen Geschichtsschreibern (...) - MDZ-Digitale Sammlungen 

Wedekind, Anton Christian: Noten zu einigen Geschichtsschreibern (...) - MDZ-Digitale Sammlungen

Noten zu einigen Geschichtsschreibern des Deutschen Mittelalters (1821) - Bayerische Staatsbibliothek 

Noten zu einigen Geschichtsschreibern zu einigen Geschichtsschreibern des Deutschen Mittelalters - Google Books 

Auch in seinem 1817 in Lüneburg erschienen Buch „Hermann – Herzog von Sachsen“ geht Anton Christian Wedekind auf Seite 109 (Online-Seite 113) auf den Grenzverlauf des Bistums Verden an der Oertze ein. Das Buch ist in der Digitalen Bibliothek des Münchener Digitalisierungs-Zentrums – MDZ – unter folgendem Link zu finden.

Wedekind, Anton Christian: Hermann - Herzog von Sachsen - MDZ Digitale Sammlungen

Ein weiterer Autor, der sich mit dem Grenzverlauf beschäftigte, war Ernst Ludwig von Lenthe, der im 7. Band seines 1859 in Celle erschienen Buches „Archiv für Geschichte und Verfassung des Fürstenthums Lüneburg“ ebenfalls auf den Grenzverlauf im Gebiet der Oertze eingeht (Seiten 389 bis 395). Unter dem nachfolgenden Link zu Google Books ist in der Suchfunktion das Wort „Derze“ hinterlegt, da die Suchfunktion das „O“ wegen des Schriftbildes als „D“ liest. Auf der Seite 387 sind in diesem Buch auch wieder „Ursinam“ und „Ursina“ sowie „Orzen“ und „Ortzene“ in der Beschreibung der Abgrenzung des Jagdbannes in der Magetheide zu finden.

Archiv für Geschichte und Verfassung des Fürstenthums Lüneburg - Google Books

Dieses Buch ist auch bei der Bayerischen Staatsbibliothek online. Dort kann unter dem nachfolgenden beiden Links in der Suchfunktion gleichzeitig nach den Wörtern „Ursinam - Orzen - Derze“ gesucht werden kann. Unter dem 2. Link kann das gleiche Buch auch wieder in Vergrößerung betrachtet werden.

Archiv für Geschichte und Verfassung des Fürstenthums Lüneburg - Bayerische Staatsbibliothek 

Archiv für Geschichte und Verfassung des Fürstenthums Lüneburg - MDZ Digitale Sammlungen 

Ein paar kurze Informationen über E. L. von Lenthe findet man bei Wikipedia Ernst Ludwig von Lenthe - Wikipedia 

Im Band 6 des Buches "Archiv für Geschichte und Verfassung des Fürstenthums Lüneburg" sind frühe Beschreibungen der Lüneburger Heide in den Jahren 1060 (Magetheida) und 1179 (Mirica) zu finden, die über die beiden nachfolgenden Links direkt aufgerufen werden können. Die Links wurden dazu mit zwei unterschiedlichen Suchwörtern -"Magethaida" bzw. "Mirica" - hinterlegt. 

Magethaida - die Lüneburger Heide im Jahre 1060 im Archiv für Geschichte (...) - MDZ - Digitale Sammlungen 

Mirica - die Lüneburger Heide im Jahre 1179 im Archiv für Geschichte (...) - Bayerische Staatsbibliothek 

Im Artikel über die Magethaida wird im § 4 unter anderem die "Örreler Mathheide" erwähnt. Wie aus den ersten topografisch genau vermessenen Karten Norddeutschland und damit auch unserer Region - der Kurhannoverschen Landesaufnahme von 1775 und der darauf aufbauenden "Charte des Amtes Ebstorf" aus dem Jahre 1784 – hervorgeht, wurde die „Örreler Mathheide zu dieser Zeit „auf der lütjen Math Heide“ genannt und lag südwestlich des Dorfes und begann gleich hinter der Kleinen Oertze. Die heutige B 71 führt in Richtung Dethlingen mitten hindurch. Südlich der Math Heide liegt das Müller (Möller) Moor und östlich davon - auf der anderen Seite der Kleinen Oertze - der Mühlenkamp. Beides Flurnamen auf die wir noch zurückkommen werden. 

Örreler Mathheide im Archiv für Geschichte (...) MDZ - Digitale Sammlungen 

© Niedersächsisches Landesarchiv NLA HA Kartensammlung Nr. 31 m /17pg

Dieses Archivgut ist Eigentum des Niedersächsischen Landesarchivs in Hannover. Ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Niedersächsischen Landesarchivs dürfen diese Abbildungen nicht gespeichert, reproduziert, archiviert, dupliziert, kopiert, verändert oder auf andere Weise genutzt werden.

Auch in dem englischsprachigem Buch von Robert Ferguson The river-names of Europe (Die Flussnamen in Europa)“ aus dem Jahr 1862 ist die „Ursena“ mit dem Hinweis: „Jetzt die Oertze“ aufgeführt. Auch dieses Buch kann über den nachfolgenden Link in der Digitalen Bibliothek des Münchener Digitalisierungs-Zentrums – MDZ – eingesehen werden. 

Ferguson, Robert: The river-names of Europe (Die Flussnamen Europas) - MDZ Digitale Sammlungen 

 

 

In dem 1837 herausgegebenen Buch „Die ältere Diöcese Hildesheim“ von Hermann Adolf Lüntzel findet man nicht nur die Namen „Ursinna“ und „Örtze“ sondern auch „Oerrel (Örrel)“, allerdings ist es nicht Oerrel bei Munster sondern bei Hankensbüttel im heutigen Landkreis Gifhorn. Einen Hinweis auf „unser Oerrel“ gibt es dort nicht. Die drei Suchwörter: „Örze Ursinna Örrel“ können in der Online-Version dieses Buches bei der Bayerischen Staatsbibliothek gemeinsam eingegeben werden. Unter nachfolgenden Link gelangt man auf die Buchseite 122 (Online-Seite 138). Dort findet man im Text einer Urkunde vom 8. Mai 1060, in der es um die Schenkung der Maget-Heide durch König Heinrich IV ans Bistum Verden geht, unter anderem „Ursinna“ mit der anschließend Erläuterung des lateinischen Textes. Unter dem 2. Link kann das gleiche Buch auch in Vergrößerung betrachtet werden.

Hermann Adolf Lüntzel: Die ältere Diöcese Hildesheim (1837) - Bayerische Staatsbibliothek

Lüntzel, Hermann Adolf: Die ältere Diöcese Hildesheim - MDZ Digitale Sammlungen 

Über die folgenden zwei Links können zwei vom Autor des Buches erstellte Karten (also keine Originalkarten), mit den Gau-Einteilungen der Diözese Hildesheim um das Jahr 1000 und um das Jahr 1500 eingesehen werden. In der ersten Karte (Jahr 1000) ist oben links, rechts von der Überschrift, die Oertze als „Ursinna“ von ihrer Mündung in die Aller (= in der Karte mit „Elere-Fl.“ beschriftet) bis oberhalb von Müden (in der Karte als „Muthi“ bezeichnet) zu sehen. Leider ist der Verlauf der Oertze nicht weiter nördlich fortgesetzt worden. Bei dem von rechts kommenden „Sinerbeki“ handelt es sich um den heutigen Landwehrbach mit einem seiner beiden Quellbäche, der Schmarbeck. Dort wo „Pag.Grete“ steht, würde von rechts die Kleine Oertze kommen, die aber nicht eingezeichnet ist. Zuerst die Karte, die das Jahr 1000 darstellt mit Georeferenz-Service (2. Link)

Karte der älteren Diöcese Hildesheim - British Library HMNTS 10231.g.6 S.495                   British Library oldmapsonline

Die zweite Karte, in der die Oertze überhaupt nicht mehr enthalten ist, zeigt das Jahr 1500

Karte der älteren Diöcese Hildesheim - British Library HMNTS 10231.g.6 S.497                    Britsh Library oldmapsonline 

Das Buch – ohne die Karten - findet man auch bei Google Books. Dort müssen die Suchwörter allerdings einzeln eingegeben werden, wobei man über die Suchfunktion nur dann fündig wird, wenn die genaue Schreibweise der Wörter im Buch eingehalten wird. Das sind “Örze“ und „Ursinna“ sowie „Örrel“ oder „Orrel“ eventuell auch „Derrel“, weil die Suchfunktion die Schriftart falsch ausliest. In allen Fällen handelt es sich in diesem Buch aber um Oerrel bei Hankensbüttel im heutigen Landkreis Gifhorn. 

Lüntzel, Hermann Adolf: Die ältere Diöcese Hildesheim - Bayerische Staasbibliothek

Lüntzel, Hermann Adolf: Die ältere Diöcese Hildesheim - MDZ Digitale Sammlungen 

Die ältere Diöcese Hildesheim - Google Books

Informationen über Hermann Adolf Lüntzel sind bei Wikipedia zu finden. Hermann Adolf Lüntzel - Wikipedia

Fazit

Anhand dieser Quellen steht fest, dass die (Große) Oertze ursprünglich „Ursena“ (Lateinisch: Ursenae) genannt wurde, was eventuell „Auerochsenfluss“ bedeutete. Dieser Name änderte sich zwischen dem 12. und 16. Jahrhundert wahrscheinlich durch den Einfluss der mittelniederdeutschen Sprache in „orsßen“. Dazu beigetragen haben dürfte auch, dass die Auerochsen um diese Zeit herum in Norddeutschland ausgestorben waren. Im „Mittelniederdeutschen Wörterbuch“ von Gerhard Köbler findet man folgende Wörter, die zu einem Übergang beigetragen haben könnten: „ur“ = Auerochse. Aber auch „urosse“ = Auerochse und „osse“ = Ochse oder Stier. Außerdem aber auch: „ors“ oder „urs“ = Ross oder Pferd. 

Mittelniederdeutsch (mnd) Buchstabe "u" (ur, urosse, urs) - Gerhard Köbler 

Mittelniederdeutsch (mnd) Buchstabe "o" (ors, osse) - Gerhard Köbler

Wurde der Fluss durch die Änderung der Sprache vom „Auerochsenfluss“ zum „Pferdefluss“? Trifft diese Herleitung des Namens zu, wäre sie so ähnlich, wie die von Wilhelm Wolter in seinem Buch über Munster erwähnte Herleitung von „horz“, wobei dies aber erst eine spätere und daher vermutlich falsche Herleitung war.

Über den ursprünglichen Namen der Kleinen Oertze habe ich nichts beweisbares gefunden. In alten Landkarten findet man den Bach erst, als er schon Kleine Oertze genannt wird. Nur in den „Göttingische Gelehrte Anzeigen“ aus dem Jahre 1915 ist zur Kleinen Oertze ein kurzer Hinweis zur Herleitung von „Orla“ vermerkt. Dass dies der Name gewesen sein soll, bleibt meines Erachtens ebenso spekulativ wie alle anderen hier in Betracht gezogenen Möglichkeiten. Der Name des Baches dürfte auch früher schon in sehr engen Bezug zur Großen Oertze – also zur „Ursena“ - gestanden haben. Nur so wäre der heutige Name Kleine Oertze sinnvoll zu erklären. Denn warum sollte man einen Bach namens Orla in Kleine Oertze umbenennen.

Doch wenn unser Bach früher nicht „Orla“ hieß, woher kommt dann der Dorfname Orle? Dann muss der Name einen anderen Ursprung haben. Unsere Spurensuche geht weiter.

 

Fortsetzung unter:

Orle - Ort am Wald